Ein Rückblick auf ein abwechslungsreiches Leben
(aus der Altersheimzeitung des Oberwallis «die Falte»)
Interview mit Linus Truffer
Ich wurde am 17. Dezember 1934, also im Christmonat, in Randa direkt neben der Kirche geboren, als Tempelkind, dem man viele Eigenschaften zuschrieb. Ich war der Älteste von zehn Kindern.
1936 kam Erna zur Welt, 1938 mein verstorbener Bruder Theo, 1939 Erich, 1941 Irene, 1942 Remo, 1943 Peter und dann die drei „Nachzigler“ 1949 Martin, dem ich als Pate zur Seite stehen durfte. Der Pfarrer fragte meine Eltern, falls ich als 14-jähriger das „Vater unser“ und das „Glaubensbekenntnis“ beten könne, ginge das schon in Ordnung. So wurden wir drei Ältesten Paten unserer kleinen Brüder und Schwestern. Die beiden jüngsten Schwestern (Ursula und Lina) erblickten 1951 und 1953 das Licht der Welt.
Früh lernten wir im Haushalt und bei der Arbeit unserer Eltern mithelfen. Während unsere Mutter die Tiere im Stall versorgen musste, waren wir die Erzieher der Kleinern. Als die Mutter vom Stall zurückkam, fragte sie uns, ob die Kleinen lieb waren. Ich antwortete nein, „untani Bleger.“ Habt ihr ihnen denn nicht den „Nuggi“ in Konfitüre oder Honig getaucht, um sie zu beruhigen? Habt ihr ihnen nichts zu trinken gegeben oder den Bauch abgetastet, ob ein Fenchel- oder Kamillenthe vielleicht sie hätte beruhigen können?
Lehr- und Wanderjahre
Mein Vater wollte, dass ich entweder zum Fahrdienst bei der Bahn oder im Büro arbeiten sollte. Da ich aber erst mit 18 anfangen konnte, besuchte ich während 2 Jahren das Kollegium in Brig und während eines Winters einen Französischkurs in Estavayer Le Lac am Neuenburgersee. Als im WB eine Anzeige geschaltet wurde, dass man dringend Grenzwächter suche, bewarb ich mich selber, da ich durchaus in der Lage war, einen fehlerfeien Brief zu schreiben. Eines Tages traf ein grosser Umschlag von der Zollverwaltung ein, und meine Mutter zeigte ihn am Mittagstisch meinem Vater. Da schon mehrere Randäer diesen Beruf ausgeübt hatten, kannte ich schon einiges. Weil ich gerne draussen arbeite, gefiel mir der Beruf und ich bewarb mich. In Liestal Baselland absolvierte ich eine recht harte Ausbildung und verbrachte 4 Jahre dort. Doch der ständige Nebel im Winter machte mir arg zu schaffen und deshalb beantragte ich eine Versetzung zurück ins Wallis. Da meinem Begehren nicht statt gegeben wurde, kündigte ich umgehend und kam zurück in meine geliebte Heimat.
Als ich hörte, dass Im Hotel Walliserhof ein Portier oder Concierge gesucht wurde, begab ich mich dorthin und stellte mich Herrn Theo Welschen, dem Besitzer, vor. Er vernahm, dass mein Vater Josef Truffer hiess, und so sagte er, dass er diesen kenne und mich sofort anstellen würde. Nach meinen Sprachkenntnissen befragt, antwortete ich, dass ich Deutsch, Italienisch und Französisch in Wort und Schrift beherrsche und einen Grammatikkurs in Englisch besucht habe. Ich fragte nicht nach meinem Lohn, da mir zu Hause eingebläut wurde, dass es sich nicht schicke, danach zu fragen und dass es sich schon von selbst ergebe. Ich hatte bereits alles Nötige am Bahnhof deponiert, so dass ich gleich beginnen konnte. Marcel und Hermann, zwei Randäer, sollten mich in den Dienst einweisen. Fünf Uhr war Tagwache, Schuhputzen auf vier Etagen, Départs vorbereiten, Frühstück, in der Küche nachfragen wegen der Einkäufe, im Büro sich erkundigen wegen der Ankünfte oder anderer Arbeiten, so ging es tagaus tagein. So arbeitete ich im Walliserhof in einer sehr netten Ambiance 7 Jahre lang. Einen netten Zustupf verdiente ich mir, als eine schwedische Gesellschaft immer wieder zwischen Mitternacht und 2 Uhr vom Bahnhof abgeholt werden wollte. Ich war es ja gewohnt, zu den verschiedensten Zeiten aufzustehen.
Ehe und Kinder
Ich kam schon vor der Hochzeit nach Zermatt. Deshalb kannte ich damals praktisch alle Leute. Zuerst wohnten wir in der Oberen Steinmatte.
1959 heirateten Monika und ich. Sie ist im Sternzeichen des Schützen geboren. 1961 im August (Löwe) kam Josi zur Welt, 1964 Tochter Brigitte (Steinbock). Ich habe stets auch auf die Sternzeichen geachtet, so weiss ich auch von meinen Geschwistern, in welchem Sternzeichen sie geboren sind. Als von der Frauen- und Muttergemeinschaft ein Kurs über das Wickeln der Kleinkinder und die entsprechende Ernährung ausgeschrieben war, wollte mich meine Frau mitnehmen. Ich dankte und erklärte ihr, dass ich das schon sehr früh von meiner Mutter gelernt hatte, wie vieles Praktische mehr. Deshalb glaube ich, dass ich meine Begabung für Reparaturen dadurch noch verbessern konnte.
Spätere Beschäftigungen
Während cirka 10 Jahren arbeitete ich als Transporteur von Heizöl oder anderer Güter in Zermatt und Randa, dann 17 Jahre im Strassenunterhalt in Randa. 1963 bauten Alfred Petrig, mein Bruder Theo und ich ein Haus in der Wieschti, so dass unsere Familie über eine Stockwerkeigentumswohnung verfügte.
In Randa erweiterte ich eine Wohnung, so dass daraus zwei nette Wohnungen entstanden, die ich meiner Tochter Brigitte überschreiben liess.
Als der Staat immer fordernder wurde und die Subventionen kürzen oder gar streichen wollte und mir für ein Rind 9 Fr, für eine Geiss oder ein Schaf 3 Fr verlangen wollte, gab ich die Landwirtschaft auf. Die recht strenge Arbeit an der frischen Luft liessen mich gesund bleiben. Dafür muss man aber gut essen und trinken, was man einen Randäer sicher nicht lernen muss. Einem Auswärtigen wird deshalb empfohlen, keine Randäerin zu heiraten oder ein Tier zu kaufen, weil man dann beide nicht in gewohnter Art ernähren kann.
Hier im Alters- und Pflegeheim, dem 5*Hotel, arbeitete ich von 1985 bis 1995 als Abwart. Hier habe ich alles Mögliche repariert und in Ordnung gebracht. Beim Weggang dachte ich, hier sieht mich bestimmt niemand mehr.
Hobbys
Die Jagd und das Schiessen sind meine grössten Hobbys. Seit ich 18 geworden bin, habe ich 40 Patente gelöst, über 120 Gämsen, 8 Hirsche und eine Menge Murmeltiere , einen Fuchs und einen Hasen geschossen. Vom letzten Hirsch habe ich das Geweih meinem Patenkind als Gettigeschenk überlassen. Die Jagdutensilien, also Gewehr, Munition und alles andere auch, vermachte ich meinem Patenkind, so dass ich nicht mehr in Versuchung kommen konnte, weiter zu jagen.
Die zweite grosse Leidenschaft war die Musik. Ab meinem 19. Geburtstag spielte ich 53 Jahre in den Dorfvereinen von Randa und Zermatt. Als Mitbegründer der Jagdmusik habe ich viele schöne Stunden erlebt. Seit 1972 war ich 30 Jahre deren Fähnrich und habe beim Hubertustreffen im Pfynwald kein einziges Mal gefehlt. Dazu kamen 10 Jahre Ersatz für den neuen Fähnrich Zuber Kurt.
Nicht wegzudenken ist mein drittes Hobby, das Tanzen. 1966 kam ich durch Otto Burgener zum Trachtenverein, um auch diese Tradition mit Gleichgesinnten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mit seiner Frau Edith habe ich ein eingespieltes Tanzpaar gebildet, 10 Jahre war ich Tanzmeister in Zermatt und habe viele auswärtige Erfolge feiern können.
Schluss
Heute fahre ich regelmässig nach Randa oder Täsch. Viele kenne ich noch von früher und wenn mir jemand seinen Beinamen/Übernamen verrät, kenne ich auch in Zermatt praktisch alle Alteingesessenen.
Im Altersheim, wo ich jetzt wohne, gefällt es mir ausgezeichnet. Ich bin nicht krank, bin als freier Mann eingetreten, habe alle Freiheiten, die ich mir wünschen kann. Ich schätze die Bedienung, die 1A Ordnung, das ausgezeichnete Essen, ich fühle mich als König. Dafür bin ich sehr dankbar.
Bilder: Linus Truffer
Gesprächsleiterin: Lilian Truffer
Text: Armin Perren
Armin Perren
Armin Perren ist pensionierter Sekundarlehrer und schreibt für die Altersheimzeitung des Oberwallis „die Falte“. Er treibt regelmässig Sport mit seinen Enkelkindern und liest gerne das eine oder andere Buch oder informiert sich in verschiedenen Zeitungen über das Geschehen in nah und fern.
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